Es ist nun über ein Jahr her, dass ich hier etwas veröffentlicht habe. Corona ist nun Grund genug, endlich wieder einen Beitrag zu erstellen.
Vor einer Woche am 21. März habe ich den folgenden Beitrag auf Twitter und Facebook gepostet. Es gab zwar wenige, aber nur positive Reaktionen:
„Es gibt viele Verschwörungstheorien zu #Covid_19, aber in Wahrheit ist der #CoronaVirusDE eine Challenge:
– Wir wollen #MitdemRadzurArbeit (#MdRzA) und merken, wir brauchen #MehrPlatzfuersRad.
– Wir sollen #Homeoffice machen und stellen fest, die #Digitalisierung steckt noch in den Kinderschuhen.
– Unsere Kinder sitzen zu Hause statt in der Schule und verzweifeln am #elearning.
– Immerhin lernen wir jetzt alle die Vorteile von Telefon-/Videokonferenzen zu schätzen!“
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir gerade mal eine Woche mit wenigen Einschränkungen hinter uns. Inzwischen ist die zweite Woche vorbei und es kommen die ersten Forderungen aus der Politik, die Kontaktsperren wieder zu lockern.
Tatsächlich habe ich mich auf mindestens fünf Wochen Einschränkungen eingerichtet. Ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, viele Leute, die ich sonst regelmäßig sehe, längere Zeit nicht zu treffen. Ich habe mich mehr noch als in der Vergangenheit mit der Durchführung von Telefon- und Videokonferenzen beschäftigt und inzwischen auch schon an einigen teilgenommen. Und ich habe mich darauf gefreut, mal wieder ein paar Wochen „ausschlafen“ zu können, weil die Kinder morgens nicht zur Schule müssen.
Und damit soll nun bald wieder Schluss sein, weil ein paar konservative Politiker Angst um unsere Wirtschaft haben? – Nein, ich habe keine Angst vor finanziellen Einbußen großer Unternehmen oder einem Kurssturz der Aktien, denn ich wäre genauso wenig davon betroffen wie viele andere Menschen. Ich habe eher Angst davor, dass spätestens nach Ostern alles so weiter geht wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Ich habe Angst davor, dass die Digitalisierung weiter in den Kinderschuhen stecken bleibt und das werktägliche Verkehrschaos morgens und nachmittags weitergeht, obwohl es völlig unnötig ist. Betrachten wir Corona als Chance, nicht als Krise!
Corona ist eine Chance, keine Krise!
Ja, Corona ist eine Chance, eine Chance für die Digitalisierung und die Mobilität der Zukunft. Verstecken wir uns nicht vor unserem Alter oder der Verwaltungsmaxime „Das haben wir schon immer so gemacht!“
Mit meinen 50 Jahren gehöre ich zu einer Generation, die eine analoge Kindheit und Jugend hatte. Meine ersten Berührungen mit der digitalen Welt kamen mit und nach dem Studium. Trotzdem habe ich mich dieser Herausforderung gestellt, dazu gelernt und immer wieder Technik und Neuerungen verflucht. Wie viele andere Menschen habe ich mich mit Twitter, Facebook, Instagram und Snapchat beschäftigt und mir auch irgendwann mit WordPress eine Homepage gebastelt. Als Kind habe ich mir auf einer alten Schreibmaschine selber mit einem Lehrbuch Zehnfingerschreiben beigebracht, als Akademiker dann das Programmieren mit Html. Ich weiß, für viele ist das alles immer noch ein Buch mit sieben Siegeln und ich habe durchaus Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die sich kurz vor oder im Rentenalter nicht mehr mit neuen Medien auseinander setzen wollen. Aber deshalb müssen wir ja in Deutschland nicht die Digitalisierung verschlafen.
Das Zauberwort der letzten zwei Wochen heißt Homeoffice. In vielen Berufen ist das ein Fremdwort, obwohl die Arbeit von zu Hause theoretisch möglich wäre. Praktisch scheitert sie dann aber an fehlendem Wille der Arbeitgeber, an technischen Voraussetzungen oder dem fehlenden Arbeitsplatz zu Hause. Und dabei ist Homeoffice eine große Chance: Wir sparen Zeit und Geld und leisten nebenher sogar noch einen Beitrag zum Klimaschutz.
Homeoffice spart Zeit und Geld
Viele Beschäftigte fahren Tag für Tag mit dem Auto ins Büro. Sie spielen zusammen mit anderen Stau, stehen nutzlos herum und verpesten die Luft. Nutzen können sie diese Zeit jedoch nicht, weil sie sich auf den Verkehr konzentrieren müssen. So verschwenden viele Menschen Stunden um Stunden, die sie produktiv einsetzen könnten: Länger schlafen, mit der Familie verbringen oder sogar schon arbeiten. Kurz gesagt, Mobilität zwischen Wohnung und Büro ist eine weitgehend unnötige Mobilität. Wenn wir darauf verzichten können, sparen wir nicht nur viel Zeit und Geld (Fahrt- und Betriebskosten), sondern wir haben auch wieder mehr Platz auf den Straßen zum Gehen, Radfahren und Verweilen. Wir brauchen weniger Parkplätze und weniger Fahrspuren. Wir haben wieder mehr Platz für Grünstreifen mit Bäumen, für Fahrradabstellanlagen und Außengastronomie. Und weniger Verkehr heißt auch bessere Luft und besseres Klima.
Ja, wir könnten viel nachhaltiger Leben, wenn mehr Menschen in Homeoffice arbeiten könnten. Die Erfahrungen der letzten zwei Wochen zeigen uns jedoch, dass Theorie und Praxis zweierlei sind. Oftmals scheitert es schon daran, dass der Computer vom Arbeitsplatz nicht mit nach Hause genommen werden kann oder ein Abruf von Daten oder dienstlichen E-mails vom heimischen Computer aus nicht möglich oder erlaubt ist. Beschäftigte in Behörden werden wissen wovon ich rede.
Und wie sieht es mit Besprechungen aus? Ist es überhaupt möglich, sich telefonisch oder über Video auszutauschen oder geht das nur von Angesicht zu Angesicht im Konferenzraum? – Ja, es geht! Und es geht sogar sehr gut. – Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich mit einer oder mehreren Personen gleichzeitig am Telefon spreche, aber auch im Konferenzraum können auch nicht alle durcheinander reden. Und wer seine Gesprächspartner unbedingt anschauen möchte, kann auch in großer Runde eine Videokonferenz durchführen.
Telefon- und Videokonferenzen als Mittel zum Zweck
Ich selber habe in meinem Leben noch nicht an vielen Telefon- und Videokonferenzen teilgenommen. Bisher gab es kaum Gelegenheit dazu, weil Sitzungen und Besprechungen immer mit einem Treffen vor Ort verbunden waren. Da ich als aktives Mitglied von ADFC, Pro Bahn, Bürgerbus Styrum, Freifunk-Initiative, Parents for Future und nicht zuletzt Mandatsträger bei Bündnis 90 / Die Grünen jede Woche teils mehrere Sitzungen habe, verbringe ich einen großen Teil meiner Freizeit in Bus und Bahn auf dem Weg zum Sitzungsort und zurück nach Hause. Mit dem Auto ginge es manchmal schneller, aber ich nutze die Fahrzeit zum Lesen in den sozialen Medien, so dass es eigentlich nicht auf ein paar Minuten mehr oder weniger ankommt. Und dennoch wäre es möglich auf einige dieser Sitzungen vor Ort zu verzichten und diese als Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen. Gerade bei Sitzungen, in denen viel geredet wird, aber geheime Abstimmungen die Ausnahme sind, wäre das problemlos möglich.
Meine erste Telefonkonferenz dürfte ich vor gut einem Jahr erlebt haben. Es handelte sich um eine Redaktionssitzung für die regionale ADFC-Mitgliederzeitung „Rad im Pott“. Um mit einer Hand voll Leuten die Inhalte der nächsten Ausgabe zu besprechen, ist eine Telefonkonferenz ideal. Inzwischen hat sich dieses Vorgehen bewährt und wir sparen uns dreimal im Jahr die Anfahrt aus verschiedenen Städten.
Corona hätte nun die Chance geboten, auch andere Vereinstreffen als Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen, aber entweder wurde dies von den Verantwortlichen erst gar nicht vorgeschlagen oder es gab nur Absagen oder Schweigen dazu. Zumindest bisher, denn in den letzten zwei Wochen gab es auch nur vier Termine, von denen drei abgesagt wurden. – Immerhin, die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen hat den Versuch gewagt, eine Fraktionssitzung als Telefonkonferenz durchzuführen und wird ihre nächste Sitzung als Videokonferenz abhalten.
Woran liegt es, dass viele von uns vor Telefon- oder Videokonferenzen zurückschrecken? Ist es Unwissenheit, fehlende Erfahrung oder Angst vor den technischen Herausforderungen? – Ich weiß es nicht! Sicher ist nur, Erfahrungen kann man nur sammeln, wenn man etwas regelmäßig nutzt und „Learning bei Doing“ war auch schon in meiner Kindheit ein bekannter Spruch. Also habt Mut und probiert es aus!
Je länger Corona dauert, um so größer die Chance
Bund und Länder haben sich auf eine „Zwangspause“ von fünf Wochen verständigt. Bis zum Ende der Osterferien haben wir Zeit, unser Leben und unsere Arbeit digitaler zu gestalten. Privat klappt es ja manchmal sogar schon ganz gut. Wer hat nicht schon mal mit Freunden oder Verwandten über Whatsapp per Videoanruf gechattet? Oder zumindest über Skype? Videochats sind doch keine Erfindungen der letzten Jahre! Skype gibt es bereits seit 2003! Nur ist es heute viel komfortabler und einfacher, Konferenzen virtuell durchzuführen. Und dazu bedarf es nicht einmal langer Vorbereitungen. So haben zum Beispiel die Organisatoren des Barcamp Ruhr am letzten Wochenende bewiesen, dass es möglich ist, über Nacht ein virtuelles Barcamp Ruhr zu organisieren. Und wenn es auch nur ein- statt zweitägig war und statt 200 „nur“ etwas mehr als 40 Personen aus ganz Deutschland teilgenommen haben, so zeigt es doch, dass in der Krise eine Chance liegt. – Nutzen wir sie!