Seit mehr als einem Viertel Jahrhundert begehen die Deutschen am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit. Anlass ist die sogenannte „Wiedervereinigung“ von BRD und DDR am 3. Oktober 1990. Und genauso lange frage ich mich, warum es eigentlich „Wiedervereinigung“ heißt? Die Vorsilbe „Wieder-“ drückt doch einen Zustand aus, den es schon einmal gegeben hat. Es muss also vorher schon mal ein Deutschland in den heutigen Grenzen gegeben haben. Aber wann?
Nun bin ich kein Historiker und hatte in der Schule auch wenig Geschichtsunterricht, sondern vor allem Gesellschaftslehre mit dem Schwerpunkt Erdkunde. Aber trotzdem bin ich mir sicher, dass ich nie eine Landkarte gesehen habe, in der ein deutscher Staat, sei es das Deutsche Reich, Preußen oder ein Staatenbund, in den heutigen Grenzen von Deutschland existiert hat. Und die vier Besatzungszonen von Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion und den USA nach dem 2. Weltkrieg waren ja offensichtlich kein deutscher Staat. Vielmehr entstand aus den drei westlichen Besatzungszonen 1948 die Trizone, die dann 1949 zur Gründung der BRD führte, während aus der Sowjetischen Zone die DDR wurde.
Der Begriff der „Wiedervereinigung“ ist also historisch falsch. Es ist ein rein politischer Begriff, der nur darüber hinwegtäuschen soll, dass die BRD die DDR quasi gekauft und sich einverleibt hat. Von einem gleichberechtigten Zusammenschluss, einer Vereinigung, kann keine Rede sein.
Schon 1990 wurde diskutiert, ob der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit ein Feiertag sein soll oder nicht besser der 9. November. Schließlich war der 9. November 1989 der Tag des Mauerfalls und der eigentliche Grund zum Feiern. Aber das Datum 9. November ist belastet und wir Deutschen neigen ja dazu, die schwarzen Zeiten unserer Geschichte zu ignorieren und zum Teil gar zu verleugnen. Und wenn auch der 9. November, der Tag der Reichspogromnacht, eher ein Gedenk- als ein Feiertag ist, wäre er aus meiner Sicht der bessere Feiertag gewesen als der 3. Oktober.
Dieses Datum hätte dann bedeutet, dass man sich im Zuge der Einheitsfeiern auch mit der deutschen Vergangenheit hätte auseinandersetzen müssen. Und das wollten und wollen viele Deutsche wohl auch heute noch nicht.